Jetzt erst recht!
Die DONOTS sind eine der bekanntesten deutschen Rockbands. Mit energiegeladenen Songs und klaren Statements begeistern sie nicht nur in Deutschland, sondern weltweit. Im Interview sprechen wir mit ihnen über das Thema “Haltung zeigen“.
Ihr feiert 30-jähriges Bandjubiläum und seid eine der bekanntesten deutschen Punkbands – herzlichen Glückwunsch! Welche Ereignisse oder Erfahrungen haben euch zur politischen Musik und zum Aktivismus geführt?
Ingo Donot: Vielen Dank für die Blumen! Ist wirklich irre, dass wir mittlerweile auf 3 Dekaden zurückblicken dürfen und alles mit jedem weiteren Tag nur nochmal toller wird. Ich glaube, unser Aktivismus liegt in der DNA der Subkultur, in der wir groß geworden sind und uns bewegen. In 30+ Jahren triffst Du eine Menge toller Menschen, die sich engagieren, tauscht Dich aus und lernst aus den vielen Begegnungen, Gesprächen und auch aus Songtexten, Dinge von anderen Seiten zu betrachten, Frage zu stellen, in Frage zu stellen, nicht einfach alles hinzunehmen und zu schlucken und stattdessen das Maul aufzumachen, um die Welt hoffentlich für ein paar Momente zu einem besseren Ort zu machen – oder um es ganz positiv zu drehen: Mit dem Erwachsenwerden und der steigenden Reiseflughöhe unserer Band ist uns immer bewusster geworden, dass wir unsere Reichweite wirklich sehr sinnstiftend dazu nutzen können, Menschen zu erreichen und ähnlich zu aktivieren und für ein friedliches Miteinander zu interessieren, wie das viele Künstler:innen oder subkulturell geprägte Menschen mit uns gemacht haben.
Gerade in Zeiten zunehmender Polarisierung und populistischer Strömungen: Wie wichtig ist es aus eurer Sicht, dass Musiker:innen und Künstler:innen klare Haltung zeigen und ihre Stimme für Demokratie und gegen Hass erheben? Glaubt ihr, dass Musik und Kultur wirklich etwas in der Gesellschaft bewirken können – und wie schafft ihr es, Menschen damit zum Umdenken zu bewegen?
Ingo Donot: Ich hab gerade neulich mal öffentlich versucht, dazu ein paar Gedanken zu formulieren: Ich glaube nicht, dass ein Song die Welt verändert, aber ich glaube, dass er dabei helfen kann. Musik hat, wie kaum eine zweite Kunstform, die unmittelbarste Möglichkeit, Menschen zu erreichen und im Herzen zu treffen, Menschen für etwas zu begeistern und vor allem – und wenn auch nur für einen kurzen Augenblick – abseits jeder Disposition zu einen. Musik bündelt Energien, setzt diese gemeinsam frei, kann weit mehr, als nur zu unterhalten – und ist meiner Meinung nach die tollste Möglichkeit, den Zuhörer:innen positiv, ganz direkt oder auch etwas subtiler im Subtext – gute Messages mitzugeben.
Musik MUSS aber nicht zwangsläufig politisch sein. Bands dürfen auch gern „nur“ entertainen, solange sie sich dann zumindest abseits der Bühne in Interviews etc. klar positionieren. Wer das in Zeiten wie diesen nicht tut, weil es eventuell dem Renommee oder den Verkaufszahlen schadet, der handelt mehr als fahrlässig, weil es immer darum gehen sollte, die Zukunft aktiv mitzugestalten, Menschenrechte zu wahren und für Frieden, Gleichheit und demokratische, freiheitliche Werte einzustehen.
Foto: Andreas Budtke
Viele eurer Fans sind jung und in ihrem Weltbild „formbar“. Welche Botschaft wollt ihr ihnen in Bezug auf gesellschaftliche Verantwortung und den Schutz demokratischer Werte vermitteln?
Ingo Donot: Viele Kids da draußen sind heutzutage Politik verdrossen oder entmutigt und denken: „Was kann ich denn schon allein bewirken?“. Nun, Du musst kein großer Politiker, Philosoph oder Diplomat sein, um Deine Stimme aktiv zu nutzen. Steh für gute Dinge mit Deinen eigenen Mitteln in Deiner Umgebung und in Deiner Bubble ein. Wenn Du das nicht alleine machen möchtest, dann such Dir Freund:innen, die Dich in der guten Sache unterstützen mögen. Organisier Dich, mach den Mund auf, wenn Du gute Ideen hast und diese mit anderen Menschen teilen magst, mach vor allem den Mund auf, wenn Unrecht in Deinem Umfeld erkennst und handle bei allem, was Du tust, nach der einfachsten aller Leitsprüche: Sei einfach kein Arsch-loch. Behandele Deine Mitmenschen mit Respekt, setz Dich auch für ihre Bedürfnisse und Wünsche ein – und stell Dich dort in den Weg, wo Menschen über andere Menschen wegleben, wo Hass, Hetze, Ausgrenzung oder demokratie-zersetzende Kräfte am Werk sind. Denk einfach immer daran: Du bist niemals allein in dem, was Du tust.
Die letzten Wahlergebnisse zeigen erschreckend deutliche demographische und geographische Ausschläge. Was können wir eurer Meinung nach noch vor der Bundestagswahl 2025 tun, um an diesen Stellschrauben zu drehen und für Aufklärung zu sorgen?
Ingo Donot: Vor allem ist es wichtig, jetzt nicht den Kopf in den Sand zu stecken. „Jetzt erst recht!“ müssen uns derlei Wahlergebnisse sagen. Freiheit, Frieden, Zusammenhalt, Menschenrechte und demokratische Werte sind es immer wert, dafür zu kämpfen. Es ist unendlich wichtig, und diejenigen positiv zu erreichen, die sich abgehängt fühlen, jene zu aktivieren, die sich bis dato eher nicht für politische Dinge interessiert haben – und auch ganz klar aufzuzeigen, welche versteckten oder ganz unverblümten undemokratischen Werte diverse pseudo-linerale, konservative oder offenkundig verfassungsfeindliche Parteien vertreten und dass es eben keinen Sinn ergibt, solche Angstmaschinenbauer mit Protestwahlstimmen zu unterstützen.
Wie geht ihr mit Anfeindungen oder Gegenwind um, der durch eure klare Positionierung gegen Rechts entstehen kann? Hat euch das schon vor Herausforderungen gestellt?
Ingo Donot: Es mag vielleicht ein wenig blauäugig klingen, aber ich sehe solche Anfeindungen als Kompliment dafür, dass wir laut genug gebrüllt haben. Dass im Netz Hass und Hetze in den Kommentarspalten regieren, ist ja nun nichts neues. Und dass sich die Faschos da draußen gern mit Druko-Mobs auf Postings stürzen, ist auch absolut erwartbar, weil auf diese Weise ein Gefühl von Unsicherheit und Bedrohung geschaffen werden soll. Aber hey: Spätestens nach zwei Tagen haben deren Inkompetenz-Teams den nächsten Thread zum Attackieren gefunden und dann ebben die Hasskommentare auch wieder ab. Und auch so viel sei hier aber mal gesagt: Ehrlicher- und schönerweise bleiben die positiven Rückmeldungen zu den meisten Postings weit in der Überzahl. Die Faschos probieren lediglich, lauter zu sein. Mehr sind sie glücklicherweise (noch) nicht. Daher: Dickes Online-Fell wachsen lassen und laut bleiben!
Foto: Danny Koetter
Ihr seid dafür bekannt, euch auch über die Musik hinaus gesellschaftlich und sozial zu engagieren. Welche Projekte liegen euch besonders am Herzen und warum?
Ingo Donot: Wir sind einfach sehr glücklich darüber, dass wir mit unserer Band, unserer Musik und Reichweite positiven Einfluss auf unsere Umwelt und Welt nehmen können und unterstützen gern große wie kleine Kampagnen, die sich weit gefasst für Frieden, Gleichheit, Umweltschutz, eine gemeinsame Zukunft, Offenheit etc. einsetzen oder eben auch ganz punktuell und zeitnah für beispielsweise Hilfskonvois in Krisenregionen oder kranke Menschen einsetzen.
Es ist so leicht, Gutes zu tun und so ein tolles Gefühl, wenn man beispielsweise über Soli-Songs oder Spenden-Kampagnen tolle Summen und Ergebnisse erzielen und viele Menschen an einen Tisch bringen kann, um gemeinsam gutes zu tun.
Habt ihr Pläne für zukünftige Projekte oder Aktionen, um noch mehr Bewusstsein für Themen wie Demokratie, Toleranz und gegen Rechtsextremismus zu schaffen? Was können Fans und Unterstützer:innen von euch erwarten?
Ingo Donot: Ich bin mir unendlich sicher, dass wir bis zum Ende unserer Band IMMER unsere Möglichkeiten nutzen werden, um mutige Kampagnen, tolle NGOs und gute Leute da draußen oder Menschen und Tiere in Not zu unterstützen. Es lohnt sich immer, zwischendurch mal auf unseren Social Media Kanälen zu schauen – wir posten, reposten und unterstützen oft im Jahr gute Aktionen und probieren, auch unsere Fans zu involvieren. Und das wird auch immer so bleiben, versprochen!
Welche 5 Tipps könnt ihr unseren Leser:innen für mehr Engagement im Alltag mitgeben?
- Habt keine Angst, Eure Stimme zu erheben.
- Hinterfragt Dinge, die Euch verdächtig oder merkwürdig erscheinen, checkt Quellen und bleibt offen und aufmerksam.
- Findet Menschen, die Eure Ideen und Ideale teilen, Euch unterstützen mögen in Euren Belangen und organisiert Euch gemeinsam für gute Aktionen.
- Behandelt Eure Mitmenschen mit Respekt, aber zeigt null Toleranz für Intoleranz.
- Und ganz wichtig: Always keep on keeping on!
Foto: Danny Koetter