Erzähl doch zunächst unseren Lesern, wer du bist und wie du zu einer „Influencerin“ wurdest – würdest du dich denn überhaupt selbst so bezeichnen?
Mein Name ist Victoria, ich bin 31 Jahre alt und lebe mit meinem Hund in Berlin. Ich bezeichne mich inzwischen schon als Influencerin, da das vielen ein Begriff ist. Ich habe aber angefangen, als es dieses Wort noch nicht gab. Vor acht Jahren stand ich das erste Mal vor der Kamera als Model, habe mir anschließend, auf Rat eines Fotografen, eine Facebook-Seite eingerichtet und relativ schnell viele Follower bekommen. Das war alles neben meinem Studium und überhaupt nicht geplant. Da ich seit jeher sehr politisch bin, war es mir irgendwann zu wenig, nur Bilder zu teilen, und so kam es, dass ich auch über politische und gesellschaftliche Inhalte gesprochen habe. Ich habe gemerkt, dass Aufklärung unfassbar wichtig ist und dass ich die Möglichkeit habe, für mich wichtige Inhalte mit einem großen Publikum zu teilen. Menschen aufklären und positiven Einfluss auf die Gesellschaft nehmen, das ist für mich eigentlich „Influence“, und jeder Mensch kann daher ein Influencer sein und sollte es auch.
Was bedeutet für dich „Soziale Verantwortung“ und wo fängt diese an?
Soziale Verantwortung bedeutet für mich, dass man sich für sein Umfeld, die Gesellschaft und jene, die Hilfe brauchen, interessiert und einsetzt. Dazu braucht man keine große Reichweite im Internet, das kann nämlich wirklich jeder tun. Und als Gesellschaft haben wir diese Verantwortung, uns auch um andere zu kümmern. Soziale Verantwortung fängt für mich also dort an, wo man nicht wegschaut, wenn ein obdachloser Mensch bei kalten Temperaturen auf der Straße sitzt. Wenn man Zivilcourage zeigt oder den Onkel, der beim Weihnachtsessen gegen Ausländer hetzt, zurechtweist.
Du bist selbst auch bekannt als Aktivistin. In welchen Bereichen engagierst du dich besonders und warum?
Ich engagiere mich schon seit vielen Jahren im Tierschutz, für die Entstigmatisierung psychischer Erkrankungen – und gegen Nazis bin ich schon immer! Ich finde es wichtig, jenen eine Stimme zu geben, die selbst keine haben und ihre Rechte nicht formulieren können. So ist es zum Beispiel bei Tieren. Mich hat es auch schon immer wahnsinnig gemacht, wenn Menschen aufgrund ihrer Hautfarbe, Religion, ihres Geschlechts, der Sexualität et cetera diskriminiert, beleidigt oder ausgegrenzt werden. Ich empfinde es als normal, sich gegen Rassismus und Diskriminierung auszusprechen und sich für gleiche Rechte einzusetzen.
Kannst du uns von einem bestimmten Projekt berichten, das dir besonders am Herzen liegt?
Das ist schwierig, weil es da tatsächlich sehr viele gibt. Aber aktuell gibt es ein wahnsinnig tolles Projekt mit dem Namen GoBanyo. Das ist ein mobiler Duschbus für obdachlose Menschen. Da Menschen auf der Straße oft nicht die Möglichkeit haben, ihre Wäsche zu waschen oder duschen zu gehen, ist dieses Projekt unfassbar wichtig. Das Motto von GoBanyo „Waschen ist Würde“ erklärt die Notwendigkeit. Außerdem bin ich Botschafterin für den Tierschutz Berlin, das größte Tierheim Europas. Dieses ist komplett spendenbasiert und dort warten über 1.000 Tiere darauf, adoptiert zu werden. Die Menschen dort leisten jeden Tag eine unglaubliche Arbeit. Ich finde, so etwas sollte einfach viel mehr gewürdigt werden!
Denkst du, dass Personen des öffentlichen Lebens eine besondere Verantwortung gegenüber der Gesellschaft tragen?
Definitiv! Wer eine Rolle in der Öffentlichkeit hat, hat auch die Verantwortung, diese sinnvoll zu nutzen. Natürlich ist es auch okay, über Instagram und Co. Geld zu verdienen, aber es sollte schon möglich und machbar sein, wenigstens ein bisschen über soziale Projekte, Missstände und gesellschaftliche Probleme aufzuklären. Das ist wirklich auch nicht schwierig und wenn man sich nicht sicher ist, kann man auch mit Organisationen und Vereinen direkt sprechen oder diesen am besten direkt eine Plattform bieten.
Du hattest die Idee der #carefluencer – was genau kann man darunter verstehen und woher kommt das?
„Influencer“ ist extrem negativ konnotiert, obwohl es eigentlich nur bedeutet, dass man Einfluss nimmt. Und das ist ja erst mal nicht negativ. Es ist leider schon so, dass dieser Einfluss meist nur auf Kaufentscheidungen ausgeübt wird. Immer wenn ich sage, dass ich Influencer bin, werde ich automatisch damit konfrontiert und mich nervt das. Ich sehe das so: Influencer und Blogger erstellen Inhalte und bieten diese kostenlos im Netz an. Viele Modeblogger zum Beispiel schreiben lange Texte, machen Shootings, geben Tipps, wie ein Modemagazin. Modemagazine kosten aber Geld und enthalten viel Werbung. Also, zwischen den Inhalten Werbung zu platzieren, ist ja nichts Neues und vollkommen legitim. Warum sollten Influencer von Luft und Liebe leben, während andere Menschen ja auch nicht kostenlos arbeiten. Aber als Influencer hat man auch Verantwortung und man sollte diese nutzen. Da gibt es eben viele Möglichkeiten, zum Beispiel kann man Dinge, die man geschenkt be- kommt, auch spenden. Man kann Spendenaktionen starten, auf The- men aufmerksam machen und sich einsetzen. Und somit zum „Carefluencer“ werden. Jemand, der den Einfluss nutzt und sich nicht nur für das eigene Portemonnaie interessiert.
Worauf legst du beim Thema Tierschutz besonders viel Wert?
Tierschutz muss sinnvoll sein. Wie bei allem gibt es auch Dinge, die absolut widersinnig sind. Es bringt nichts, tausend Videos von Hundeschlachthäusern aus Asien zu posten und sich darüber zu echauffieren und gleichzeitig Kalbsleberwurst auf die Frühstücksstulle zu schmieren. Das Thema ist sehr emotionalisiert, weil wir Tiere in zwei Klassen einteilen. Die sogenannten Haustiere erfahren von vielen Menschen Mitgefühl, sogenannte Nutztiere nicht. Das ist aber eine willkürliche Einordnung, die nicht mal in allen Ländern gleich ist. Mir ist es wichtig, antispeziesistische Aufklärungsarbeit zu leisten und auf unser verkorkstes Tierbild aufmerksam zu machen. Denn Tiere nicht aufzuteilen nach Kuscheltier und Wurst und als dem Menschen unterlegen beziehungsweise dem Menschen dienend, kann schon viel verändern.
Du selbst lebst nun seit zehn Jahren fleischfrei und seit sechs Jahren vegan. Wie kam es zu dieser Entscheidung, und fiel dir die Umstellung schwer?
Wer Tiere liebt, der isst sie nicht. Das Konzept ist ganz einfach. Das sprang mir irgendwann ins Gesicht. Ich habe mich doppelmoralisch gefühlt, wenn ich meinen Hund liebe und ein Kalb esse. Daher fiel die Umstellung auch nicht schwer. Essen ist reine Gewohnheit, und die kann man lernen und umstellen. Wenn man überlegt, dass man seine Gewohnheit und das „Es schmeckt so gut“ vor das Leben anderer Lebewesen stellt, dann ist das schon extrem pervers.
Was sind deine drei Tipps, wie jeder soziale Verantwortung im Alltag leben kann?
Erstens: Nicht wegschauen, Missstände sehen, Dinge aussprechen und Hilfe anbieten. Zweitens: Sich mehr mit Organisationen und Vereinen beschäftigen, die Tolles leisten. Drittens: Selbst andere aufklären und somit dafür sorgen, dass mehr Menschen von wichtigen Themen erfahren.
Mehr über Victoria
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