Mutter Tariku – groß gewachsen, sanft, herzlich – wendet beschämt den Kopf zur Seite. „Ich bin so müde“, sagt sie leise, „ich bin es leid, jeden Tag so hart zu arbeiten und manchmal nicht einmal Geld für ein Mittagessen zu verdienen.“
So geht es vielen anderen Waisen in Äthiopien, sie heißen Kalkidan, Eziden oder Rahima. Sie leben in schmutzigen Baracken ohne fließendes Wasser, viele von ihnen müssen hungrig ins Bett gehen. Kleine Krankheiten werden schnell lebensbedrohlich, weil das Geld für den Arzt fehlt. Musé war zwei Jahre alt, als der Vater an einer behandelbaren Infektion starb. Und er vermisst seinen Vater. Er lebt mit seiner Mutter, seinen älteren Schwestern und seiner Cousine in einer fensterlosen und kargen nur zehn Quadratmeter kleinen Hütte. Die Hütte steht an einem Hang und bei Regen läuft Wasser in kleinen Bächen durch den Türspalt hinein.
„Wir frühstücken nie. Daran sind alle gewöhnt. Ich muss früh raus, um überhaupt Arbeit für den Tag zu finden“, erzählt Musés Mutter Tariku. Sie nimmt alles an, Putzen, Wäsche waschen, Brot backen und hat drei oder vier Mal in der Woche Glück. Doch allein für die Miete braucht Tariku 500 Birr, 18 Euro, im Monat. Wenn sie die Miete nicht zahlen kann, sammeln ihre Nachbarn für sie.
Musé beschwert sich nicht über seine Lage. Er trägt die zu klein gewordene Schuluniform und dasselbe Paar Plastikschlappen durch das Jahr. Wenn er Fußball spielen möchte, borgt er sich einen Ball von Freunden. Er kümmert sich um den Haushalt, wenn es seiner Mutter nicht gut geht. „Ich möchte meine Mama nicht belasten“, sagt er und der sonst so fröhliche Junge klingt plötzlich ernst und erwachsen. Er erzählt, dass er sich Sorgen mache, wenn er Hunger habe: „Wie kann ich lernen, wenn ich nichts zu essen habe?“
Musé besucht die fünfte Klasse und ist der zweitbeste Schüler seiner Klasse. Er möchte Pilot werden. Warum? Der Grund: „Ich möchte genug Geld verdienen, damit ich meiner Familie und meinem Land helfen kann. Ich möchte Waisenkindern helfen und ihnen genug zu essen geben.“ Musé schaut in die Ferne. Er schweigt. Tariku nimmt seine Hand. „Musé ist ein kluger Junge. Ich möchte jede Chance nutzen und alles dafür tun, damit er erfolgreich werden kann.“
Mit der Aktion „Speisen für Waisen“ engagieren sich in ganz Deutschland Menschen unterschiedlicher Herkunft, Kultur und Religion im sechsten Jahr unter dem Motto „gemeinsam essen, gemeinsam helfen“ für Waisenkinder. Sie begegnen sich am gedeckten Tisch, kommen miteinander ins Gespräch und helfen zusammen Waisenkindern – 85.000 Menschen kamen in den letzten Jahren so zusammen.
Die Idee ist einfach: Ob geselliges Frühstück mit Kollegen, Tee mit den Nachbarn oder üppiges Abendessen mit Familie, Freunde und Bekannte gleich welcher Religion und Herkunft werden zu sich zum Essen eingeladen und sammeln dabei gemeinsam Spenden. So können Kinder wie Musé mit dem Nötigsten wie Essen und Medikamenten, aber auch einer sicheren Unterkunft unterstützt werden, um unbekümmert die Schule besuchen zu können und so eine Chance auf eine bessere Zukunft bekommen.