Christian Rudolph ist Partner der Berliner Innovationsberatung co:dify. Er und sein Team begleiten Unternehmen bei agiler Produktentwicklung und Umsetzung von zirkulären Geschäftsmodellen. Im Interview spricht er über die Chancen und Grenzen der Circular Economy. Wie steht es um die Kreislaufwirtschaft in Deutschland?
Christian Rudolph
Managing Partner, co:dify
Papier, Pappe, Karton, zunehmend auch Elektrokleingeräte, werden in Deutschland nahezu vollständig recycelt. Anders sieht dies bei Verpackungen und Restmüll aus. Weniger als 6% der Kunststoffabfälle aus deutschen Haushalten wird wieder zum Rohstoff für die Verpackungsindustrie. Zwar gehören wir bei den Verwertungsquoten zu den Erfolgreichsten, Kreislaufwirtschaft ist aber mehr als Recycling. Gleichzeitig gehören wir zur Top 5 der Müllverursacher in Europa.
Wie nachhaltig ist die Kreislaufwirtschaft?
In der Linearwirtschaft werden Rohstoffe gefördert, Produkte hergestellt und nach Gebrauch entsorgt. Mehr Konsum führt so zwangsläufig zu mehr Abfall. Das Ziel der Kreislaufwirtschaft ist die Entkopplung von Wirtschaftswachstum und Ressourcenverbrauch durch bessere Produkte und Geschäftsmodelle. Als reine Recyclingwirtschaft ist sie daher nicht nachhaltig. Nachhaltig wird die Kreislaufwirtschaft dort wo Abfälle reduziert und verhindert werden. Wer sich auf die Behandlung des Abfalls beschränkt, betreibt lediglich Symptombekämpfung.
Was ändert sich für Unternehmen, die Kreislaufwirtschaft zum Kern ihrer Wertschöpfung machen?
Wer sein Unternehmen vollständig von linearer auf zirkuläre Wertschöpfung umstellt, erfindet sich neu. Produkte werden nicht länger für den Verkauf optimiert, sondern für die gesamte Nutzungsphase. Dies hat Auswirkungen auf das Produktdesign, den Produktionsprozess, die Beziehung zu den Kunden und auf die Gestaltung des Geschäftsmodells. Wer seine Produkte im Kreislauf führen möchte, muss sich zudem über Rückwärtslogistik und Aufbereitung Gedanken machen. Diese Transformationsaufgabe ist für viele Unternehmen gewaltig und risikobehaftet. Startups haben es hier einfacher, da sie ihr Unternehmen von Anfang an zirkulär gestalten können.
Was ist das Erfolgsrezept erfolgreicher Geschäftsmodelle in der Kreislaufwirtschaft?
Ein Erfolgsrezept ist, den Lebenszyklus des eigenen Produkts genauer zu untersuchen. Unternehmen müssen wissen, wo die Wertschöpfung auf Kundenseite nach dem Verkauf weitergeht. Ein nächster Schritt ist die Pilotierung von Service-basierten Geschäftsmodellen. Unternehmen, die sich lediglich für den Job bezahlen lassen, den ihr Produkt auf Kundenseite löst, haben einen Anreiz langlebige Produkte zu entwickeln, da sie möglichst lange an der Wertschöpfung auf Kundenseite partizipieren möchten. Unternehmen, die diesen ersten Schritt erfolgreich bestreiten, haben die Tendenz wirtschaftliche Vorteile der Kreislaufwirtschaft schneller zu begreifen und für sich zu nutzen.
Wo sind die Grenzen der Kreislaufwirtschaft?
Die Grenzen zeigen sich insbesondere bei kurzlebigen Konsumgütern. Hier gibt es außer besseren Verpackungskonzepten nur wenig Innovation. Selbst nachwachsende Rohstoffe verknappen, wenn wir zu schnell wachsen. Solange der Mensch Technologie verwendet, wird es keine Welt ohne Abfall geben. Eine ungelöste Frage bleibt daher die des nachhaltigen Wachstums. Auch eine Kreislaufwirtschaft kann nicht unendlich wachsen, wenn sie ökologisch und sozial nachhaltig sein will. Was bringt mir ein langlebiges Produkt, wenn Rohstoffe aus zweifelhaften Quellen kommen, die Produktion mit fossilem Strom läuft und meine Rückwärtslogistik geringen Sozialstandards unterliegt?
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