Peter Kurth
Geschäftsführender Präsident des BDE Bundesverband der Deutschen Entsorgungs-, Wasser- und Rohstoffwirtschaft e. V.
Der 22. August 2020 war eine bemerkenswerte Zäsur. Auf diesen Tag fiel der Erdüberlastungstag, also jener Termin, an dem rechnerisch die natürlichen Ressourcen der Erde für das komplette Jahr aufgebraucht waren. Von diesem Termin an haben wir für den Rest des vergangenen Jahres auf Pump von den Ressourcen nachfolgender Generationen gelebt.
Die Tatsache, dass wegen der Corona-Pandemie dieser Tag um drei Wochen gegenüber 2019 nach hinten gerückt war, ist kein Grund zum Aufatmen, denn seit einem halben Jahrhundert leben wir so als hätten wir drei Erden als Rohstoffspender zur Verfügung. Was also ist zu tun, wenn wir wirtschaftlich wachsen, den Wohlstand halten und trotzdem nachhaltig handeln wollen?
Mit einer funktionierenden Kreislaufwirtschaft haben wir die große Chance, unser Wirtschaftssystem zukunftsfähig zu machen und Ökonomie und Ökologie wirkungsvoll miteinander zu verbinden. Bei weltweit wachsendem Lebensstandard und steigenden Bevölkerungszahlen ist es alternativlos, dass wir mit endlichen Ressourcen sparsam umgehen müssen. Wir müssen anders produzieren und konsumieren, wir müssen gebrauchen, statt verbrauchen.
Hier sprechen die wissenschaftlich belegten Zahlen eindeutig für mehr Kreislaufwirtschaft: wenn eine Verdoppelung der Recyclingrohstoffmenge in der industriellen Produktion von derzeit knapp fünfzehn Prozent auf dreißig Prozent mit konkreten Maßnahmen angegangen werde, hätte man nicht nur 60 Millionen Tonnen CO2-Einsparung zusätzlich erreicht, sondern auch den Produktionsstandort Deutschland gestärkt.
Der europäische Weg
Deutschland war über lange Jahre Vorreiter in der Entwicklung der Kreislaufwirtschaft. Leider liegen die letzten echten Weichenstellungen für die Kreislaufwirtschaft, das Deponierungsverbot für unbehandelte Siedlungsabfälle und die Einführung der Herstellerverantwortung, länger als ein Vierteljahrhundert zurück.
Inzwischen hat Europa hier die Führung übernommen, Stichworte: Green Deal und Kreislaufwirtschaftsaktionsplan. Das europäische Engagement darf uns aber nicht daran hindern, wieder eigene Akzente zu setzen. Für die nächste Bundesregierung bieten sich dafür viele Möglichkeiten. Der erste Schritt wäre eine klare, neue Zuständigkeitsregelung für die Kreislaufwirtschaft in den Bundesministerien. Das Umweltministerium beschäftigt sich zu Recht mit Fragen zu Abfall und Entsorgung, und das Wirtschaftsministerium befasst sich mit Rohstoffpolitik, die Kreislaufwirtschaft wird zu wenig als Thema erkannt. Wir fordern deshalb die Ansiedlung des Bereichs Kreislaufwirtschaft im Wirtschaftsministerium. Außerdem machen wir uns für einen Staatsministerposten zur Umsetzung des Green Deal im Bundeskanzleramt stark, denn er umfasst viele Bereiche.
Der Green Deal ist der Weg Europas in die Klimaneutralität und damit eine Querschnittsaufgabe verschiedener Ressorts in Deutschland. Betroffen sind fast alle Politikfelder: Wirtschaft, Verkehr, Landwirtschaft, Wohnen, Umwelt, Finanzen usw. Dieser umfassende Prozess muss auch in der nächsten Bundesregierung für Deutschland gesteuert und verantwortet werden. Deshalb ist die Bündelung an zentraler Stelle im Bundeskanzleramt sinnvoll, aber auch notwendig. Dies wären mutige, aber unverzichtbare Schritte in Richtung Kreislaufwirtschaft, wenn wir Wirtschaftsstandort bleiben und ambitionierte Klimaziele erreichen wollen. Dann besteht auch die Chance, dass der jährliche Weltüberlastungstag wieder Richtung Jahresende rückt.
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Weitere Informationen finden Sie unter www.bde.de.