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WIE WOLLEN WIR LEBEN

„Das zwingend erforderliche Umdenken in Bezug auf unser Verhalten wird immer unausweichlicher“

Fotos: © Pascal Bünning

Benno Fürmann, einer der beliebtesten Schauspieler Deutschlands, spricht mit uns im Interview er über seine Verbindung zur Natur, sein Engagement für den Umweltschutz und was wir tun können, um mehr Nachhaltigkeit zu fördern.

Nachhaltigkeit und Umweltschutz sind wichtige Themen unserer Zeit. Inwiefern hat Ihr Engagement Ihr tägliches Leben verändert? Haben Sie besondere Gewohnheiten oder Praktiken entwickelt, die Sie mit unseren Leser:innen teilen möchten?

Das zwingend erforderliche Umdenken in Bezug auf unser Verhalten wird immer unausweichlicher: dadurch, dass wir die Effekte unseres Raubbaus an der Natur jetzt ganz konkret auch bei uns spüren. Wir haben gerade wieder die verheerenden Überflutungen im Süden Deutschlands erlebt. Mein persönliches Konsumverhalten, die Art, wie ich mich fortbewege, wie ich heize und wie ich mich ernähre sind meine stärksten individuellen Hebel.

Und natürlich das Kreuz, das ich bei den Wahlen setze. Ich pendle gerade zwischen Krakau und Berlin und nehme nach Möglichkeit zur Anreise für Drehtage den Zug. Das geht zeitlich nicht immer, aber es geht. Darüber hinaus habe ich mein Auto abgeschafft und mache das meiste mit dem Fahrrad. Bei Fleischeslust esse ich nach Möglichkeit Wild. Das Thema Konsum ist immer wieder herausfordernd für mich. Wenn ich etwas Schönes sehe, kostet es mich Kraft, es nicht zu erwerben. Aber wieviel braucht der Mensch? Der Standard ist dort, wo wir ihn setzen. Für mich sind die alltäglichen Entscheidungen in Bezug auf zukunftsfähiges Verhalten immer wieder herausfordernd. Ich erwarte von mir nicht alles perfekt zu machen, aber eine Linie zu haben, die sich hoffentlich durchzieht.

Als jemand, der sich stark für die Umwelt und soziale Initiativen einsetzt, was denken Sie, sollten die Hauptprioritäten der Gesellschaft in Bezug auf Klimaschutz und soziale Gerechtigkeit sein?

Ein stärkeres Wir-Gefühl halte ich für zwingend, wenn wir das mit uns und der Welt hinbekommen wollen. Wir müssen im Großen und Kleinen Verantwortung übernehmen, für das, was wir miteinander teilen, für unsere Welt. Ich wünsche mir sehr, dass das Verantwortungsgefühl für die Fragilität der Natur die Freibriefe, die einige von uns glauben zu haben, überwiegen. Im Tao de King, der Ur-Schrift des Taoismus, steht eigentlich schon alles drin. In dem Moment, in dem wir gegen den natürlichen Rhythmus der Natur verstoßen, folgen wir nicht mehr dem natürlichen Lebensfluss und handeln uns riesige Probleme ein. Letztendlich geht es immer um Bewusstsein und die Verbindung von mir zur Welt. Wenn ich nicht mit mir selbst verbunden bin, wenn ich nicht wirklich ein Gefühl für mich habe, kann ich auch nicht bewusst mit der Welt verbunden sein. Und die klimatischen Probleme, das Nichtachten der Natur, kommt aus unserer Unverbundenheit. Insofern geht es immer um den ersten tiefen Atemzug, um ein Ja zum Leben und ein Nein zur Brutalität. Anders glaube ich, ist eine gesunde Welt nicht möglich.

Sie haben wahrscheinlich viele Geschichten und Schicksale erlebt. Gibt es eine Begegnung oder ein Erlebnis, das Sie besonders bewegt hat und das Ihr Engagement nachhaltig beeinflusst hat?

Es sind immer wieder Bilder, die mir spiegeln, wie sehr alles mit allem zusammenhängt – z. B. Berge von Plastik an Flussufern in Indien. Riesige Autos in Berlin, deren Hubraum komplett disproportional zur urbanen Umgebung ist. Oder auch die riesigen Krater in der Lausitz, wo Dörfer dem Boden gleichgemacht wurden, um Braunkohle abzubauen. Ironischerweise hatte sich eines der Dörfer komplett aus erneuerbaren Energien versorgt. Ich habe kürzlich nach einer Lesung mit einem Lokalpolitiker über Umweltpolitik gesprochen. Ich sagte, dass ich die Nöte der Bauern verstehe, aber es gleichzeitig extrem bedauere, dass z. B. im Agrarsektor ein gewisser Anteil an Brachflächen für die Renaturierung nicht mehr zwingend vorgeschrieben wird, Gesetze zum Schutze der Natur regelmäßig aufgeweicht würden. Der Politiker meinte, man müsse die Menschen an der Hand nehmen und nicht mit zu vielen Gesetzen verprellen, sonst würde man sie verlieren. Ich antwortete, dass ich an die Hand nehmen super finde und wir in einer idealen Welt gar keine Gesetze mehr bräuchten, weil wir unserer Verantwortung für den Planeten gerecht würden. Aber so wie es gerade um uns bestellt ist, brauchen wir klare, bindende Gesetze, um Lebensraum für nachfolgende Generationen zu erhalten, weil wir permanent zu kurzfristig und zu egoistisch auf unsere eigenen Ziele fokussiert handeln. Wir fahren gerade in Windeseile gegen die Wand, aber der Klimaschutz rangiert nach Migration und Wehrfähigkeit irgendwo an zweiter oder dritter Stelle. Die Wirkungen unseres Handelns sind zu diffus, so dass wir den schwarzen Peter immer weiterschieben können. Es sind immer die anderen. Das letzte Mal wirklich beeindruckt war ich von einem Menschen, der aus klimapolitischen Gründen noch nie in seinem Leben geflogen ist, Der Zug ist, Achtung Wortspiel, bei mir längst abgefahren, aber mich hat seine Konsequenz beeindruckt.

Wie sehen Sie die Rolle von Kunst und Kultur im Kampf gegen den Klimawandel? Können Filme und Schauspieler:innen wie Sie einen Einfluss auf die öffentliche Meinung und das Verhalten haben?

Sicherlich hat Kunst die Kraft uns emotional ganz anders zu erreichen, als es bloße Fakten oft vermögen. Kunst kann Welten hinter den Worten aufzeigen. Unsere Sehnsüchte, Ängste und unsere strotzende Lebenskraft sind in der Kunst zu Hause. Trotzdem habe ich äußerst wenige Drehbücher in der Hand gehalten, die sich, basierend auf dem klimatischen Wandel, mit Visionen oder Dystopien auseinandersetzen. Mir fällt in jüngerer Zeit gerade nur Mad Max ein – und den hat man mir nicht angeboten.

Sie haben kürzlich ein Buch über Ihre Beziehung zur Natur geschrieben und wie diese eine wichtige Rolle in Ihrem (auch spirituellen) Leben spielt. Wie können wir Ihrer Meinung nach eine tiefere Verbindung zur Natur fördern, um ein nachhaltigeres Leben zu führen?

In meinem Buch gehe ich ja der Frage nach, wieso wir so häufig einen Punkt hinter Dinge setzen und so tun, als wüssten wir, wie es geht. Der Zustand der Welt lässt aber auf was anderes schließen, wir verhalten uns wie unreife Kinder. Uns in aller Bescheidenheit an unser Nichtwissen zu erinnern halte ich für zwingend, wir müssen eine viel größere Demut an den Tag legen. Wenn wir uns erlauben, überfordert zu sein – und es sind äußerst überfordernde Zeiten -, dann ist das vielleicht wahrhaftiger als dieses so tun, als ob man die Antwort auf alles hätte. Und wenn wir etwas echter sind, mit uns selbst und untereinander, dann erlaubt uns das auch mehr, miteinander in Beziehung zu stehen.

Wie entspannend ist denn die Aussage: „Ich bin überfordert, ich weiß nicht, wie wir das hinkriegen sollen.“ Da antworten doch die meisten von uns, „mir geht’s genauso“. Und hier kann die Natur uns berühren. Da, wo wir zart und echt sind. Da, wo es still wird. Den Menschen, der unsensibler aus dem Wald rauskommt, als er reinging, den gibt es nicht.

BUCHTIPP
Unter Bäumen – Die Natur, mein Leben und der ganze Rest

Benno Fürmann, vielfach ausgezeichneter Schauspieler, Weltenbummler, aufgewachsen in Berlin-Kreuzberg, ist sich darüber im Klaren: „So viel Bäume, wie ich pflanzen müsste, um die Emissionen, die ich durch meine Flugreisen verursacht habe, neutralisieren zu können, kann ich gar nicht pflanzen. Aber ich finde, vor einer Aufgabe zu kapitulieren, nur weil sie einem zu groß erscheint, sollte niemals ein Alibi für das Nichtstun sein.“ In seinem ersten Buch Unter Bäumen nimmt er uns mit auf seine bisherige Lebensreise und schildert eindrücklich, warum er, wann immer es ihm möglich ist, die Nähe zur unberührten Natur sucht. Von den Bergwäldern Südamerikas bis ins bayerische Voralpenland.

ISBN: 978-3-8338-8758-1

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